31.07. – Auf den Spuren der Sowjetunion

Wir kommen bei unserer Weiterfahrt nochmal durch den Ort Purtse, den mit der kleinen Burg.

Hier gibt es einen altestnischen heiligen Hügel, auf dem ein Trauerpark angelegt wurde für die Oper der stalinistischen Gräueltaten. 280.000 Esten sind Opfer von Gewalt und Unterdrückung geworden, z.B. nach Sibirien verschleppt worden. 78.000 sind gestorben oder hingerichtet worden.

Von diversen Politikern sind hier Eichen zum Gedenken gepflanzt worden. Auch Barack Obama hat eine gepflanzt, als er 2014 in Estland war.

Der baltische Klint erreicht hier in der Nähe an der Küste mit 56 Meter Höhe seinen höchsten Punkt. Spektakulär stürzt ein kleiner Wasserfall von der Klippe. Eine steiler Treppenturm führt bis an den Strand hinunter. Die Kalksteinschichten sind gut zu erkennen.

Nächster Stopp ist Sillamäe. Die kleine Stadt war während der Sowjetzeit eine geschlossene Stadt und tauchte auf Landkarten nicht auf. Hier gab es eine Ölschieferindustrie und später wurden hier Uranerze abgebaut und verarbeitet, z.B. für die erste Atombombe der Sowjetunion.

Überraschend interessant ist die Architektur, die jedem Fachmann wohl das Herz höher schlagen läßt. Ein Ensemble sowjetischen Neoklassizismusses aus Stalins Zeiten bietet sich hier. Optisch etwas fremdartig und doch spannend.

Dann kommen der russischen Grenze immer näher. Narva Joesuu ist ein Badeort am finnischen Meerbusen, zu deutsch ehemals Hungerburg genannt.

Hier gibt es einen ziemlich langen und gar nicht so schmalen Strand. Ungewöhnlich für Estland. Fast total leer und das bei Sonnenschein. Anscheinend wurde der Ort früher viel von Russen als Urlaubsort genutzt, die jetzt nicht mehr so einfach nach Estland einreisen können.

Das Land am weiteren Horizont ist dann schon Russland. Die Grenze ist der Narvafluss.

Wir fahren den Fluss entlang nach Süden nach Narva. In der Mitte des Flusses sind rote Bojen zu erkennen, die die Grenze nach Russland markieren. Auf russischer Seite patrouillieren Grenzkontrollboote. Auf estnischer Seite stehen in Abständen Radaranlagen am Ufer.

In Narva beeindruckt die Hermannsfestung und die direkt gegenüberliegende Festung Iwangorod auf russischer Seite. Hier weht eine estnische Flagge, dort eine russische. Auf dem Aussichtspunkt der Festung gegenüber stehen auch Leute und blicken hier herüber. Das Flussufer auf der russischen Seite ist rechts und links mit Stacheldrahtzäunen abgesperrt.

Direkt bei den Festungen überquert eine Brücke den Fluß. Ein wichtiger Grenzübergang. St. Petersburg ist nur gute 150 km entfernt. Autos verkehren hier zur Zeit nicht, weil auf russischer Seite angeblich irgendwas renoviert wird. 

Aber der Fussgänger-Grenzverkehr ist nicht wenig. Menschen mit Koffern passieren die Brücke in beiden Richtungen. Auf russischer Seite ist ein Bus zu erkennen von dem ein kleiner Menschenstrom Richtung Grenze zieht. Auf estnischer Seite stehen lange Schlagen an der Grenzkontrolle in beiden Richtungen.

Hier wird die Grenze erfühlbar und erfahrbar, immer noch die Grenze zwischen zwei Blöcken, heute fast wieder wie im kalten Krieg. Bedrückend.

Wir fahren weiter nach Süden an den Peipussee. Das ist der fünftgrößte See Europas, 143 km lang und siebenmal so groß wie der Bodensee. Der Fluss Narva ist der Abfluss des Sees. Vom Ufer aus sieht der See aus wie ein Meer. 

Auf einem kleinen Campingplatz sind wir ganz allein. Der Besitzer, der gegenüber wohnt, öffnet uns die Schranke und erzählt, dass er als russischer Soldat zwei Jahre in Potsdam stationiert war. Vor der Wende natürlich.

22. Tag

Aseri – Katase : 202 km

Gesamt: 1.995,2 km

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Jobst

    Hey, Danke für die ausfühlichen Reisebeschreibungen mit den echt superguten Bildern!

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